In einem wegweisenden Urteil hat das Bundesgericht einen Mann vom Vorwurf freigesprochen, sexuelle Handlungen an einer urteilsunfähigen Person vorgenommen zu haben. Der Fall ereignete sich nach einer Geburtstagsfeier, bei der eine Frau erhebliche Mengen Alkohol konsumiert und mehrfach erbrochen hatte. Als die meisten Gäste die Feier verließen, blieb sie zurück, da sie befürchtete, im Bus erneut erbrechen zu müssen. Der Mann bot an, sie nach Hause zu begleiten, bestellte ein Taxi und brachte sie in die Nähe ihres Elternhauses, wo es zu sexuellen Berührungen kam.
Die Frau erstattete später Anzeige und behauptete, aufgrund ihrer starken Alkoholisierung wehrlos gewesen zu sein. Das Erstgericht verurteilte den Mann zu einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten. Die Berufungsinstanz sprach ihn jedoch frei, was das Bundesgericht nun bestätigt hat. Obwohl die Frau stark alkoholisiert war, zeigten mehrere Handlungen, dass sie noch über ein gewisses Maß an Selbstbestimmung verfügte: Sie konnte selbständig den Zielort im Uber-Taxi auswählen, stand während der Berührungen aufrecht und erzählte dem Mann anschließend eine Anekdote.
Das Bundesgericht betont in seiner Entscheidung, dass für eine Verurteilung nach dem entsprechenden Gesetzesartikel eine vollständige Urteils- oder Widerstandsunfähigkeit vorliegen muss. Eine bloße Enthemmung durch Alkohol reicht nicht aus. Obwohl die Frau deutlich angetrunken war, konnte sie sich noch artikulieren, bewegen und interagieren. Sie war demnach in der Lage, die sexuelle Handlung wahrzunehmen und sich dieser gegebenenfalls zu widersetzen, weshalb der Tatbestand nicht erfüllt war.