Das Bundesgericht hat in einem wegweisenden Urteil die Grenzen zwischen arbeitsrechtlichen Verstößen und strafbarem Menschenhandel neu definiert. Ein Ehepaar hatte eine junge Serbin über eine Internetplattform als Kindermädchen und Haushaltshilfe angeworben. Sie versprachen ihr einen monatlichen Lohn von 500 Franken plus Kost und Logis sowie die Übernahme der Reisekosten. Die Realität sah jedoch ganz anders aus: Die Frau musste täglich von frühmorgens bis spät abends ohne freien Tag arbeiten, erhielt weniger Lohn als vereinbart und musste auf einer Matratze im Kinderzimmer schlafen.
Das Bundesgericht stellte fest, dass das Ehepaar die Frau über wesentliche Aspekte der Arbeitsbedingungen getäuscht hatte. Sie nahmen ihr zudem unter dem Vorwand eines Darlehens ihr mitgebrachtes Geld ab, wodurch sie finanziell von ihnen abhängig wurde und die Schweiz faktisch nicht mehr aus eigener Kraft verlassen konnte. Als illegal Anwesende ohne Deutschkenntnisse und soziale Kontakte befand sie sich in einer Situation besonderer Hilflosigkeit, die das Ehepaar gezielt ausnutzte.
Für die Richter in Lausanne war entscheidend, dass die Frau durch Androhung von psychischen und physischen Übergriffen sowie Lohnrückbehalt zum Verbleib in einer Situation besonderer Härte gezwungen wurde. Das Bundesgericht betonte, dass die fehlende Bewegungsfreiheit keine zwingende Voraussetzung für Menschenhandel sei. Die Frau hatte weder eine gültige Einwilligung gegeben noch eine realistische Wahl, als sich zu fügen. Mit diesem Urteil schärft das Bundesgericht die Definition des Menschenhandels zur Arbeitsausbeutung und stellt klar, dass schwerwiegende arbeitsrechtliche Verstöße unter bestimmten Umständen als Menschenhandel zu qualifizieren sind.