Nach drei Anläufen stand die angehende Notarin vor dem endgültigen Aus: Mit einer Durchschnittsnote von 3,84 statt der erforderlichen 4,0 verpasste sie die Berufsprüfung haarscharf. Besonders eine mündliche Prüfung zu den "allgemeinen Pflichten des Notars", die mit der Note 2,5 bewertet wurde, verhinderte den Erfolg. Die Kandidatin wehrte sich zunächst vor dem Waadtländer Kantonsgericht und anschließend vor dem Bundesgericht gegen die Bewertung.
Das Bundesgericht hat nun die Bewertung dieser mündlichen Prüfung als widersprüchlich kritisiert. Es stellte fest, dass die Prüfungskommission einerseits festhielt, die Kandidatin habe "insgesamt korrekt auf die Fragen geantwortet", ihr aber dennoch eine ungenügende Note erteilte. Zudem bemängelte das Gericht, dass das Kantonsgericht nicht auf den Vorwurf der ungleichen Behandlung eingegangen war: Eine andere Kandidatin erhielt trotz ähnlicher Schwierigkeiten eine deutlich bessere Note.
Die Beurteilungen der schriftlichen Prüfungen wurden dagegen vom Bundesgericht bestätigt. Hier hatte die Kandidatin unter anderem kritisiert, dass sie bei einem Immobilienkaufvertrag vergessen hatte, auf die notwendige Überweisung an die Bodenkommission hinzuweisen, und bei einer Umwandlung einer Genossenschaft nicht die Anweisung befolgt hatte, ein möglichst niedriges Kapital zu bilden. Das Bundesgericht hielt die Bewertung dieser Fehler für nachvollziehbar.
Die Richter in Lausanne haben den Fall nun zur Neubeurteilung an das Kantonsgericht zurückgewiesen. Dieses muss die mündliche Prüfung zu den Notariatspflichten erneut bewerten und danach einen neuen Entscheid fällen. Sollte die Kandidatin bei dieser Neubeurteilung eine bessere Note erhalten, könnte sie doch noch die Berufsprüfung bestehen und die Zulassung als Notarin erhalten.