Ein 17-jähriger Lernender war im November 2021 mit seinem E-Bike auf dem Arbeitsweg unterwegs, als er an einer Stelle, wo der Radweg endet und die Strasse überquert werden muss, mit einem Lastwagen kollidierte. Der junge Mann erlitt ein Polytrauma. Die Unfallversicherung Solida übernahm zwar die Heilbehandlung und zahlte Taggelder, kürzte diese jedoch um 10 Prozent wegen grobfahrlässiger Unfallverursachung. Das Kantonsgericht Luzern hob diese Kürzung auf, wogegen die Versicherung Beschwerde einlegte.
Das Bundesgericht hat nun die Leistungskürzung bestätigt. Es stellte fest, dass der E-Bike-Fahrer trotz klarer Signalisation und Bodenmarkierung "Kein Vortritt" dem Lastwagen den Vortritt nicht gewährt hatte. Diese Vortrittsmissachtung war nach Ansicht des Gerichts die entscheidende Unfallursache. Zwar hatte auch der Lastwagenfahrer Verkehrsregeln verletzt – er war 8 km/h zu schnell und hatte ungenügend auf den Verkehr geachtet –, doch diese Verstösse waren nicht schwerwiegend genug, um den kausalen Zusammenhang zwischen der Vortrittsmissachtung des E-Bike-Fahrers und dem Unfall zu unterbrechen.
Das Bundesgericht betonte, dass bei der Beurteilung der Adäquanz eines Kausalzusammenhangs ein Drittverschulden grundsätzlich unmassgeblich sei, es sei denn, es liege derart ausserhalb des normalen Geschehens, dass damit nicht zu rechnen war. Im vorliegenden Fall war das Fehlverhalten des Lastwagenfahrers nicht so schwerwiegend, dass die Vortrittsverletzung des E-Bike-Fahrers als rechtlich nicht mehr beachtlich erscheinen würde. Der junge Mann muss daher die 10-prozentige Kürzung seiner Taggeldleistungen hinnehmen und die Gerichtskosten tragen.