Eine Frau bewohnt seit 1993 eine viereinhalb-Zimmer-Wohnung in Genf, seit etwa 15 Jahren zusammen mit ihrem Lebensgefährten. Im Dezember 2021 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen ihrem Partner und anderen Hausbewohnern, die in gegenseitigen Strafanzeigen mündete. Der Lebensgefährte wurde wegen Tätlichkeiten verurteilt, während eine Nachbarin wegen Beleidigung bestraft wurde. Daraufhin kündigte der Vermieter der Mieterin mit der Begründung, die Auseinandersetzung und weitere angebliche Vorfälle hätten die Ruhe im Haus gestört.
Die Mieterin klagte gegen die Kündigung und erhielt vor dem Genfer Mietgericht Recht. Die kantonale Berufungsinstanz bestätigte dieses Urteil und stellte fest, dass dem Paar in den vergangenen 30 bzw. 15 Jahren keine weiteren Probleme nachgewiesen werden konnten. Sieben Nachbarn bestätigten sogar, nie Schwierigkeiten mit dem Paar gehabt zu haben. Die Richter kamen zum Schluss, dass eine Kündigung aufgrund eines einzigen Vorfalls unverhältnismäßig und deshalb nicht rechtens sei.
Das Bundesgericht bestätigt nun diese Einschätzung. Es betont, dass zwar grundsätzlich jede Partei einen unbefristeten Mietvertrag unter Einhaltung der Kündigungsfrist auflösen kann, eine Kündigung jedoch nicht gegen Treu und Glauben verstoßen darf. Die Darstellung des Vermieters, wonach der Lebensgefährte der Mieterin eine reizbare Person sei, die regelmäßig Angst im Haus verbreite, deckt sich nicht mit den festgestellten Tatsachen. Der einmalige Vorfall rechtfertigt nach Ansicht des Gerichts nicht die Kündigung eines dreißigjährigen Mietverhältnisses.